Die Weisse Rose

Insgesamt sechs Flugblätter verfasst und verbreitet die studentische Widerstandsgruppe «Die Weisse Rose» vom Sommer 1942 bis zu Beginn des Jahres 1943. Nach der Schlacht von Stalingrad bemalen die Mitglieder der Gruppe in nächtlichen Aktionen auch öffentliche Fassaden in München mit Parolen für die Freiheit und gegen die Nationalsozialistische Herrschaft. Hans Scholl und Alexander Schmorell, beide Medizinstudenten, bilden den Kern der Gruppe und die ersten vier Flugblätter der Weissen Rose werden grösstenteils von ihnen verfasst.

Durch den Kriegsdienst in einer Studentenkompanie an der Ostfront im Sommer 1942 erleben Alexander Schmorell, Willi Graf und Hans Scholl die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges. Diese Erlebnisse bestärken die drei Freunde in der Absicht, nach ihrer Rückkehr nach München im November 1942 durch politische Aufklärung der Öffentlichkeit Widerstand zu leisten. Christoph Probst, Willi Graf, Sophie Scholl und ihr Professor Kurt Huber sowie weitere Unterstützerinnen und Mitstreiter schliessen sich ihnen an und beteiligen sich in unterschiedlicher Weise an den widerständischen Aktionen.

Die Flugblätter der Weissen Rose thematisieren die Verbrechen des NS-Regimes und rufen zum Widerstand gegen Adolf Hitler und gegen den Nationalsozialismus auf. In den ersten vier, eher literarisch geprägten Flugblättern ruft die Gruppe zum passiven Widerstand auf. Die Gruppe ermutigt zur Sabotage, beispielweise in Rüstungsbetrieben, in Lehre, Forschung und auf allen geistigen und kulturellen Gebieten, die der Weiterführung des Krieges dienen oder die in einem anderen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stehen. Die letzten beiden Flugblätter beinhalten eine Analyse der katastrophalen und aussichtslosen Kriegslage und fordern die Menschen dazu auf, unmissverständlich Stellung zu beziehen und den Sturz der NS-Diktatur herbeizuführen.

In zunehmenden Auflagen werden die Flugblätter zuerst in der Region München verteilt und gelangen später durch Postversand und Kuriere auch in andere grosse Städte, wie zum Beispiel nach Berlin, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, Freiburg, Saarbrücken und Karlsruhe sowie nach Linz, Salzburg und Wien. Dabei setzen sich die Beteiligten grosser Gefahr aus; ein wesentlicher Teil der Arbeit muss heimlich und nachts verrichtet werden. Nur absolut vertrauenswürdige Personen werden eingeweiht und mit Aufgaben betraut. Am 18. Februar 1943 werden die Geschwister Sophie und Hans Scholl bei einer Flugblattaktion in der Münchner Universität vom Hörsaaldiener Jakob Schmid entdeckt und denunziert. Nur vier Tage später werden sie, zusammen mit Christoph Probst, unter dem Vorsitz des NS-Richters Roland Freisler am Volksgerichtshof in München zum Tode verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet.

Der zweite Prozess am Volksgerichtshof gegen weitere Mitglieder des inneren Kreises der Widerstandsgruppe findet am 19. April in München statt. Angeklagt sind Alexander Schmorell, Willi Graf und Professor Kurt Huber, ausserdem elf weitere Personen aus dem Umfeld der Gruppe. Darunter Heinrich Bollinger aus Freiburg, den Willi Graf als Verbündeten gewonnen hatte, die Kommilitonin und Freundin Traute Lafrenz, die ein Flugblatt nach Hamburg gebracht hatte sowie Falk Harnack, der Kontaktmann zu einer anderen Gruppe von Widerständigen war. Nach einem 14-stündigen Schauprozess werden Schmorell, Graf und Huber vom Vorsitzenden Freisler zum Tod verurteilt. Die anderen Angeklagten erhalten teilweise mehrjährige Haft- und Zuchthausstrafen. Falk Harnack wird freigesprochen. Ein an Adolf Hitler gerichtetes Gnadengesuch für die zum Tode Verurteilten lehnt dieser ab.

Bis in die letzten Kriegstage hinein kommt es in München, Hamburg und Donauwörth zu weiteren Gerichtsverhandlungen gegen Unterstützerinnen und Freunde der Weissen Rose. Am 29. Januar 1945, wenige Monate vor Kriegsende, wird Konrad Leipelt hingerichtet. Nach dem ersten Prozess und den darauffolgenden Hinrichtungen verteilt der Münchner Chemiestudent das sechste Flugblatt der Weissen Rose und sammelt später für die mittellose Witwe von Karl Huber.

Der Volksgerichtshof in Berlin war das formal höchste Gericht im Dritten Reich. Er behandelte als Sondergericht die Verhandlungen wegen Hochverrats und Landesverrats. 1936 erfuhr der Volksgerichtshof die Umwandlung in ein ordentliches Gericht und damit eine Ausweitung seiner Zuständigkeiten. Der Volksgerichtshof war jedoch zu keiner Zeit ein Gericht im rechtsstaatlichen Sinne, sondern ein Instrument zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Diktatur.

Text: Irina Schulthess

Bilder Weiße Rose Stiftung e.V.