Märchen

Der gerechte Richter


Ein armer Mann hatte Hunger, was sollte er essen? Er suchte in seiner Hosentasche nach Geld, fand aber nur ein Stück trocken Brot und zwei Münzen von geringem Wert. Ach! Entmutigt ging er des Wegs. Auf einmal wehte ihm ein verlockender Duft um die Nase – von einem teuren Restaurant. Der Mann wagte einen Blick durch das offene Fenster und sah den Koch mit der Pfanne handieren. In der Pfanne brutzelte Fleisch. Der arme Mann hätte wohl Lust darauf, aber kein Geld, was machen? Ah, Idee!
Er hielt sein trockenes Stück Brot ans Fenster, damit der Bratenduft ins Brot zieht. So nimmt das Brot ein bisschen Geschmack an und der Mann beisst Stückchen für Stückchen davon ab.
Auf einmal bemerkte der Koch den Mann vorm Fenster. Entrüstet geht der zu ihm und sagte böse: „So gehts nicht, du musst dafür bezahlen! Den Duft geniessen kostet!“
Der Arme erwiderte erschrocken: „Ich esse doch nichts vom Braten, ich atme nur den Duft ein!“
Doch der Koch blieb hart: „Du musst für den Bratenduft bezahlen. Weigerst du dich, bringe ich dich vor den Richter!“ Und er zieht den armen Mann zum Richter.
Der Richter beobachtete die beiden eine Weile und hört beiden zu. Dann sagte er zum armen Mann: „Gib mir dein Geld!“ Der Arme, erschrocken und denkt, er habe verloren, gibt dem Richter die beiden Münzen. Der Richter nimmt sie und sagt zum Koch, er solle näher kommen. Der Koch denkt, er bekomme jetzt das Geld, freut sich und hält die Hand auf.
Doch der Richter sagt: “Moment! Du wirst jetzt gut zuhören!“ Der Koch nickt eifrig.
Da wirft der Richter die beiden Münzen auf den Tisch, die Münzen klimpern, drehen eine Runde und mit leisem Geschepper legen sie sich.
„So. Hast du gut zugehört, wie die Münzen klimpern? Der arme Mann hatte vom Duftriechen des Bratens genug – du hast vom Hören des Geklimpers der Münzen genug.
Mit dem Geldgeklimper hat der Arme den Duft bezahlt!“ Und der Richter gibt dem armen Mann die Münzen zurück. „So, und nun ab mit euch beiden!“